Der Eindruck des ersten Tages: Sehr, sehr überzeugend, dieses gesamte Konzept. Damit man weiß, welchen Blick ich hier einnehme, eine knappe Vorstellung des Schreibers dieser Zeilen:
Gestatten: Heinz Bayer. 40 Jahre Mathe-Physiklehrer ... 25 Jahre Vertrauenslehrer, Fokus eigenständige Schülerprojekte, 10 Jahre Schulentwicklungsverantwortlicher, 5 Jahre Netzwerkbetreuer - Faust-Gymnasium Staufen Baden-Württemberg .. immer über 1000 Schüler/innen und 100 Lehrer/innen ...
Soll heißen, ich nehme den Blick eines alten Schulmeisters ein, der einfach mal drauflos erzählt, was dieses Bildungscamp gerade mit ihm macht. Ich habe mich durch alle Projekte treiben lassen, viel zugehört und viel gesehen ...erste Eindrücke festgehalten, die ich jetzt einmal schildere.
Na klar, Wenn jemand Sitzprofi ist, dann wir Menschen, wenn wir uns im Schülermodus befinden. „Hol dir Experten an Bord“ könnte der Slogan des Camps lauten. Und ganz vorne stehen die jungen Experten namens Schüler und -innen. John Hattie entwickelte aus seinen riesigen Bildungsstudien zehn Grundsätze für starke Lehrpersonen. Gekoppelt mit der grundsätzlichen Aussage: „Man muss Schule durch die Augen der Lernenden sehen lernen.“ Im Camp ist das das gefühlte und gelebte Mindset.
Im Kurs Möbel in 3D entwickeln Schüler/innen mit dem OpenSource Programm Blender ihre eigenen Vorstellungen, wie Schulraum ihrer Expertenmeinung weiterentwickelt werden könnte ... Virtuell wie Möbelprofis von Schulraum-Einrichtungsfirmen. Ein unerschöpflicher Ideenpool, wenn man Schulraum durch die Augen von Lernenden sieht.
Apropos externe Experten und Schule. Es gibt viele Entwicklungen und man sollte als Schule testen dürfen. Ausprobieren. Das Camp macht dies raumakustisch in einem Klassenzimmer. Und die Firma, die diesen Raum mit speziellen Rollen an der Decke ausgestattet hat, lässt die Optimierung hören, vermittelt das Wissen, coacht Schüler/innen und lässt die Rollen am Ende in der Schule. Groß.
Ich bin wirklich sehr erstaunt. Was hatten wir damals an Geld in unser Schulnetz versenkt. Und wir mussten so lange drauf warten. An anderen Stellen sparen. Und wir hatten einen reichen Schulträger. Was, wenn der Schulträger nicht reich ist? Was, wenn die 30 000 Euro aus dem Digitalpakt an einer schlecht ausgestatteten Schule ankommen und jemand auf die Idee kommt, einen Laptopwagen für eine Klasse mit Windows-Betriebssystem zu kaufen? So zu meinen, die Zukunft für Bildung käme so an die Schule? Ein Raspberry Pi kostet 60 Euro. Und kann genug für den üblichen Schulgebrauch. Muss ja nicht schnelle Computerspiele können. Sogar besser, wenn er es nicht kann. Man sollte es den Schulträgern sagen, dass es billiger geht als die üblichen Standardlösungen vorschlagen. Dass OpenSource alles kann, was Schule braucht. Und damit keine Folgekosten für Updates entstehen. Schulträger müssten eigentlich jubeln, wenn sie sowas hören. Warum eigentlich jubeln sie nicht? OER ist bei internationalen Bildungskonferenzen ein so wesentlicher Punkt geworden. Open educational ressources. Man sollte es den Schulträgern sagen:“ Spart, macht eure Schulen fit for future und lasst euch feiern. Warum sagt es den armen Trägern denn niemand?
Solch ein Bildungscamp, auf dem gezeigt wird, wie man Schüler/innen als Lernpartner ernst nimmt, sie mit einbezieht, mit ihnen zusammenarbeitet und aktiv vor Ort eine andere Schule hinterlässt, habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Obwohl ich schulisch schon viel erlebt habe. 40 Jahre, ich habe es erwähnt. Viele Ideen, die hier auf‘s Blatt kommen, könnten gut nachgebessert werden. Es muss nicht immer ein Neubau sein. Österreichische Experten in Sachen Lernlandschaft sind hier mit an Bord. Mir laufen die Augen über, welche Beispiele von Schulen sie auf Film mitgebracht haben. Neubau bis moderne Lernlandschaft in alten Gemäuern. Es ist allerdings ein ganz anderes Mindset, das dahintersteckt. Modern lernen geht nicht mehr mit Frontalunterricht. Die Leistungsheterogenität in den Klassen ist kolossal geworden. Ein Drittel ist abgehängt, ein Drittel erreiche man normal, ein Drittel langweilt sich. So fühlt es sich viel zu oft an. Individuell strukturierte Lernlandschaften setzen auf Selbstständigkeit im Lernen. „Früher ging frontal doch auch“ passt nicht mehr in die Zeit. Schule wird so abgehängt. Auch international. Selbst die Chinesen holen sich schon Fortbildner aus Europa ins Land, um sich in modernen Lernlandschaften schulen zu lassen. Wir dürfen das bitteschön nicht verschlafen. Ich habe vier Enkelkinder. Auch wenn unsere Schulträger nicht so viel Geld haben wie die Chinesen, wir besitzen das KnowHow für Lernlandschaften, wir besitzen eigentlich die Lösungen, die nicht so teuer sind wie man immer denkt. Aber wir denken irgendwie noch nicht flexibel genug. Schulen von armen Schulträgern haben in vielen Regionen Deutschlands echten Notstand. Ob die armen Schulträger das schon gemerkt haben? Klar, denke ich. Aber die Verwaltungsvorschriften stehen den möglichen Ideen der pädagogischen Verwalter entgegen. Noch entgegen?
Ja so arbeiten die Profis im IT-Bereich und alle, die mit agilen Prozessen unterwegs sind. Man nehme ein einfaches großes Blatt - ja auch bei den IT-Profis nimmt man nur die digitale Lösung eines Boards, wenn man örtlich getrennt arbeitet, sonst ist Stehen um ein Board mit Kaffee in der Hand immer noch am effektivsten - und unterteilt es nach Bedarf. Hier eine erste Spalte für eine Ideensammlung für Lebensraum Schule ... nächster Schritt: Wahl eines Themas, das man in kleine Arbeitsschritte zerlegt, die man dann Stück für Stück abarbeitet und am Ende auf Done setzt.
Wer früher selbst mit dem Schul-Bus gefahren ist, der weiß, was es heißt, einen langen Schulweg zu haben. Als Lehrer kennt man die dadurch entstehenden Probleme vor Ort. Schüler/innen, die „beaufsichtigt“ werden müssen ... die viel Leerlauf haben ... für die man eigentlich Konzepte finden sollte. Denn je weiter weg, desto ungerechter. Schule müsste kreativ und individuell reagieren dürfen. Darf sie meist nicht. Zu schade, denn es liegen so viele Ideen und Lösungen auf dem Tisch. Wie dieser Arbeitsgruppe zeigt.
Oh ja, diese Hausausgaben. Ein endloses Thema. In der Hattie-Studie ist die Effektstärke von Hausaufgaben sehr klein. Deshalb merken immer mehr Lehrer/innen, die Hattie auf die Füße stellen und nicht das alte klassische Hausaufgabenkonzept fahren, dass man die Zeit zur Hausaufgabenbesprechung auch effektiver nutzen kann.
D=0,29 für Hausaufgaben. Sagt den wenigsten etwas. Ich erkläre es mal mit einer Zeichung.
Man nehme die klassische Leistungsverteilung. Verschiebt sich die Spitze der Gaußschen Verteilung um D=1 nach rechts, ist die Wirkung auf den Unterricht enorm. In der neuesten Studie aus dem Jahre 2015 steht an erster Stelle: Lehrerseits: Kollegiale Zusammenarbeit mit 1,57 .. dann schülerseits: Selbsteinschätzung der eigenen Lernleistung mit 1,33 und danach lehrerseits: richtige Einschätzung der individuellen Schülerleistungen 1,29. Weit abgeschlagen eben Hausaufgaben. Außer man setzt sie in anderen Bildungssettings ein. Individuelles aktives Lernen kann Hausaufgaben ganz neu interpretieren. Etwa bei der eduScrum-Methode geben sich Schüler/innen selbst ihre Hausaufgaben ... und weil bei dieser Methode die höchsten Effektstärken eine wesentliche Rolle spielen, spielen selbstgestellte Hausaufgaben natürlich eine ganz andere Rolle. http://eduscrum.nl/de/home
Bei dem Setting von Flipped classroom wird zu Hause Unterricht geschaut ... individuelles Lernen läuft dort zur Hochform auf. https://fliptheclassroom.de/termine/
Wie an allen Schulen spielt das Thema Bewegung eine wichtige Rolle. Im Camp ganz aktuell: Die Sporthalle muss saniert werden. Jetzt reden spezielle Experten einmal mit: Profischulbeweger namens Schüler/innen.
Ja an dieser Stelle bin ich tatsächlich als alter Netzwerkbetreuer völlig baff und überwältigt. Mit einem Bruchteil der üblichen Kosten wurde hier an der Schule in zwei Tagen ein WLAN-Netz eingerichtet, das es in sich hat. Es funktioniert in allen Räumen ... auch wenn die 400 Teilnehmer/innen gleichzeitig darauf zugreifen. Dies kann man wahrscheinlich nur verstehen, wenn man sich als Schule im Moment einen Digitalisierungsentwicklungsplan geben muss, um die Gelder aus dem Digitalpakt einzusetzen. Ich hatte das schon. Hier bietet sich ein zauberhaft günstige Methode auf OpenSource Basis. Sensationell, was ich hier gesehen habe. Da hoffe ich doch einfach mal als externer Beobachter, dass die anwesenden Landtagsabgeordneten und Bildungsentscheider/innen sehen, dass Netz auch ganz anders geht, als Telekom und Co ihnen immer versucht, zu erklären.
https://opinsys.de/ Ist auch vor Ort. Auch bleibt der Mund des alten Netzwerkbetreuers offen. Eine Flugstunde, aber beim Umgang mit der Digitalisierung an Schulen liegen Welten dazwischen. In der Schweiz gilt Opensys schon länger als Geheimtipp. Obwohl dort die Träger bekanntermaßen richtig über Geld verfügen. Doch Open Source ist ja keine Sparversion, es ist eine völlig andere Denkweise. Und es ist die Zukunft der Bildung, davon bin ich überzeugt. Anstatt die Digitalisierung von Schulen Google, Windows und Apple in die Hand zu legen, sollte man dringend umdenken, bevor weiter und zwangsläufig durch die Abhängigkeiten die Mittel zu knapp werden, um befriedigend in die Zukunft der Bildung zu investieren.
Man darf gespannt sein, wenn die Betonhocker nach dem Ausgießen wieder an der Schule landen. Starke Idee, um individuelle Sitzgelegenheiten zu bauen.
Wie ich mit dieser Diskussionsgruppe von 10 Vollblutpädagogen und -innen mitfühlen kann. Da hören sie sowieso immer von ihrem Bundesland, dass viele Schulen abgehängt sind ... von A wie Ausstattung bis U wie Unterrichtsausfall. Und dass das alles noch schlimmer werden wird, weil - selbst wenn alle in den Anstellungsstartlöchern stehenden Lehrer eingestellt würden - werden es viel zu wenig sein. Was Sachsen-Anhalt benötigt, sind schlaue Konzepte und mutige Verwaltungen. Die schlauen Konzepte liegen eigentlich an vielen Schulen vor ... man schaue sich nur einmal dieses Bildungscamp an. Lösungen zuhauf. Umsetzbar, schnell, günstig. Wenn die Bildungsverwaltung wüsste, was sie für die Region Positives lostreten könnte, wenn sie sich nur trauen würde, den Schulen zu vertrauen und sich vor die Schulen stellen könnte, um das vorhandene Zukunftspotenzial zu stärken, dann würden sie am Ende sehr stolz vom Platz gehen.
Ich drücke den Initiatoren und den vielen Unterstützern und -innen dieses großartigen Bildungscamps jetzt erst einmal die Daumen, dass die Message bei den Abgeordneten und Bildungsverantwortlichen ankommt, dass vieles möglich wäre, wenn man den Schulen nur mehr Eigenständigkeit zumuten würde.
Das Schöne: Puavo kann auch gut mit alten Rechnern, die ndere wegwerfen, weil Microsoft mit den Alten kein Mitleid hat.
Es war einmal eine Idee. Schafft veränderliche Räume und flexible Arbeitsmöglichkeiten. Öffnet Wände, nutzt nebeneinanderliegende Räume. Schafft schnell und unkompliziert mehr Möglichkeiten für aktives Lernen. Wenn ihr Glück habt wie die Freiherr von Spiegel, dann schenkt euch ein Möbelhersteller ein paar variabel einsetzbare Tische und Stühle. Dreieck mit drei Beinen - eins mit Rolle, zwei stabil - heißt hier das Motto.
Schlussbemerkungen: Für mich schließt sich hier der Rote-Faden-Kreis des Camps in Halberstadt. Will man Schule in die Zukunft transferieren, benötigt man natürlich ein funktionierendes Schulnetz .... aber natürlich nur als reine grundsätzliche Möglichkeit, mit digitalem Handwerkszeug zu arbeiten. Die Digitalisierung der Freiherr von Spiegel versetzt die Schüler/innen noch lange nicht in den Welt der effektiven zeitgemäßen Bildung. Dazu gehören Konzepte, die je nach Schule sehr unterschiedlich sein können. Individualisierende Lernkonzepte müssen mit den Lehrer/innen und Schüler/innen einer Schule entwickelt werden. In den üblichen Klassenräumen ist Individualisierung aber nicht eingeplant. Deshalb im Camp: Zwei Löcher in die Wand, eine Tür und eine Glasscheibe. Und natürlich flexible Möbel. Auch das ist für selbstorganisiertes Lernen eine Grundvoraussetzung. Netzwerk und Raumgestaltung sind bezahlbar. Möbel kosten, aber die Investition ist für lange Zeit und einmalig. Das Camp zeigte mir eindrücklich: Wenn Schüler Schule planen, dann kommen viele Forderungen heraus, die auf individuelles Lernen deuten. Auch wenn sie manchmal in der Forderung verpackt sind, dass Schule Spaß machen soll. Erfolgreich Schule machen macht am Ende allerdings Spaß. Auch wenn effektiv Schule machen harte Arbeit ist. Siehe Hattie. Und ich sag das übrigens genauso. Dieses Beschränken auf „Schule muss Spaß machen“ ist eine Unsitte. Es muss heißen: Mann muss beste Bedingungen schaffen, damit die harte Arbeit des Lernens am erfolgreich ist und dann heftig Spaß macht. Immerhin geht es am Ende nie um Schulerfolg, auch wenn man das ab dem Kindergarten immer so hört. Es geht um Lebenserfolg. Und dafür ist am Ende ein „Schule hat zumindest Spaß gemacht“, auch wenn ich nicht hart genug gearbeitet habe, eine denkbar schlechte Empfehlung. Aber mit den Grundlagen von flexiblem Schulraum, für Schüler/innen angenehme Umgebung (deshalb immer dringend mit ins Boot) - Schulgebäude und Pausenhof, digitale Ausstattung, OpenSource wegen der Chancengleichheit und flexible Möglichkeiten für die Schulen selbst, das wird die Zukunft sein.
Ich behaupte, dass sich im Schulbereich enorm viel bewegen würde, würden die Schulen mehr Selbstständigkeit bekommen. Mutige Schulverwaltungen, die Direktoren Mut macht, selbst mutig zu sein und dem Kollegium Spielraum zu geben, das ist noch nicht in den Köpfen, aber auch schon keine reine Fiktion mehr. In der Schweiz nennt man das Kontextsteuerung, die z.B. in Baselland so den Direktoren anempfohlen wird: Von den - man höre und staune - Schulverwaltungen selbst. Schulleitungsforum Baselland:
Ich habe in unserem Forum schon darüber geschrieben. Liebe Schulverwaltungen. Es ist viel zu tun. Aber dann könnt ihr euch zurücklehnen und zufrieden und stolz genießen.