• Projektaufgabe Besaatzungszeit

    • Erstelle ein Planspiel

      Der graue Markt: Der Spinnfaserprozess im Jahr 1947 - ein notwendiges Exempel?


      Ohne Kompensationsgeschäfte war die Nachkriegsindustrie nicht funktionsfähig: In vielen Betrieben wurde ein Teil der produzierten Waren für Reparaturmaterialien oder Rohstoffe eingetauscht, um die Produktion weiterhin zu gewährleisten. Die Reparationszahlungen machten es trotz Marshall-Plan Hilfe nahezu unmöglich, das Ablieferungssoll einzuhalten.

      Im Frühjahr 1947 sollte ein abschreckendes Beispiel am Führungspersonal eines Spinnfaser-Unternehmens in Kassel statuiert werden. Bei Hausdurchsuchungen von leitenden Angestellten wurden Textilien wie Damen-Hüftgürtel, Büstenhalter und mehrere hundert Meter Stoff gefunden und als Beweismaterial sichergestellt. Es stellte sich heraus, dass 112 Meter Stoff, die der Betrieb im Austausch gegen Spinnfasern erhalten hatte, gegen 85 Glühbirnen eingetauscht worden waren, die für die Fortführung der Produktion benötigt wurden. 

      Das Gerichtsverfahren, das als Korruptions- und Schieberprozess inszeniert wurde, entwickelte sich zu einem vielbeachteten Musterprozess in allen vier Besatzungszonen. Dabei standen Themen wie Quoten, Lieferverpflichtungen, Kontrollen, behördliche Maßnahmen und Strafandrohungen im Mittelpunkt.

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      (Quelle: erzeugt mit der emuKI DALL·E 3 des Bildungsservers Sachsen Anhalt, 2025)

      Das Gericht strebte ein ausgewogenes Urteil an, das trotz milder Strafen die Grenzen zwischen erlaubten und verbotenen Kompensationsgeschäften klarer ziehen sollte. Die wirtschaftliche Lage Deutschlands während der Zeit des Grauen Marktes wurde dadurch verdeutlicht, dass die amerikanische Besatzungsmacht, in Abstimmung mit den anderen drei Alliierten, mithilfe deutscher Gerichte und Behörden in einem solchen Prozess klären wollte, ob die Kompensationswirtschaft unterdrückt oder geduldet werden sollte. Bemerkenswert war zudem, dass die rechtliche Grundlage für diesen Musterprozess die Kriegswirtschaftsverordnung der Nationalsozialisten von 1939 bildete.

      Die Primärquelle ist ein originaler Zeitungsartikel, in welchem über den Spinnfaserprozess berichtet wird.
      Klicke hier, um dir diesen anzusehen.


      Vertiefende Informationen und Fotografien sind unter
       
      diesem Link zu finden.

      Was ist ein Planspiel?
      Ein Planspiel ist eine didaktische Methode, die häufig in der Bildung, Ausbildung und Unternehmensentwicklung eingesetzt wird, um komplexe Systeme und Prozesse zu simulieren. Es handelt sich um eine interaktive Lernaktivität, bei der die Teilnehmer in Rollen schlüpfen und Entscheidungen in einer simulierten Umgebung treffen müssen. Diese Methode wird verwendet, um theoretisches Wissen in praktischen Kontexten anzuwenden und zu vertiefen.

      Ziel des Planspiels
      Die Teilnehmer sollen ein tieferes Verständnis für die wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen der Nachkriegszeit entwickeln und die Komplexität der Entscheidungen in einer Krisensituation erkennen. Sie sollen die Fähigkeit entwickeln, unterschiedliche Perspektiven zu berücksichtigen und ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Am Ende soll das Urteil der Klassengemeinschaft mit dem realen Gerichtsurteil verglichen werden. Dies soll die Projektgruppe anleiten. 

      Weiterführende Hinweise zur Methode allgemein sind unter diesem Link einsehbar (führt auf die externe Seite der Bundeszentrale für politische Bildung).


      Was ist eine Rollenkarte?

      Eine Rollenkarte ist ein zentrales Element in Planspielen und Rollenspielen, das den Teilnehmern hilft, ihre spezifische Rolle innerhalb des Spiels oder der Simulation zu verstehen und auszufüllen. Sie enthält wichtige Informationen, die den Teilnehmern Orientierung bieten und ihnen helfen, ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Spielkontext wahrzunehmen. Sie fördern das Verständnis für die Komplexität der simulierten Situation und unterstützen die Teilnehmer dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, die im Einklang mit den Zielen und Interessen ihrer Rolle stehen. Daher ergibt sich die Qualität des Planspiels daraus, wie gut die Rollenkarten formuliert sind und auf sich auf die Primärquelle (Zeitungsartikel) beziehen.  

      Eine Rollenkarte enthält eine klare Beschreibung der Rolle, die der Teilnehmer übernimmt, einschließlich der Position, des Hintergrunds und der Hauptaufgaben. Des Weiteren werden die spezifischen Ziele aufgelistet, die die Rolle im Verlauf des Spiels erreichen soll, sowie die Interessen, die die Entscheidungen und Handlungen der Rolle leiten. Die Karte enthält Informationen über die Interaktionen und Beziehungen zu anderen Teilnehmern oder Rollen im Spiel, was die Dynamik und mögliche Konflikte verdeutlicht, sowie eine Übersicht über die verfügbaren Ressourcen, Befugnisse oder besonderen Fähigkeiten, die die Rolle nutzen kann, um ihre Ziele zu erreichen. Zudem werden mögliche Einschränkungen oder Herausforderungen, denen die Rolle gegenübersteht, die das Erreichen der Ziele erschweren könnten, aufgeführt. Kontextuelle Informationen, die für das Verständnis der Rolle wichtig sind, wie historische, wirtschaftliche oder soziale Aspekte dürfen natürlich nicht fehlen.


      Der konkrete historische Hintergrund für dieses Planspiel

      Der Graue Markt und die Kompensationswirtschaft im Jahr 1947


      Im Jahr 1947 steht die deutsche Nachkriegsindustrie vor großen Herausforderungen. Reparationszahlungen und Materialknappheit erschweren die Produktion. Kompensationsgeschäfte sind oft die einzige Möglichkeit, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Ein Musterprozess gegen das Führungspersonal eines Spinnfaser-Unternehmens in Kassel soll die Grenzen dieser Praxis aufzeigen.

      Das Planspiel wird in einer Doppelstunde (90 min.) durchgeführt.
      Für die Einführung müssen mindestens 5 min. und für die abschließende Reflexion 25 min. eingeplant werden!
      Damit bleiben für die eigentliche Vorstellungsrunde und Gerichtsverhandlung noch max. 60 min.

      Vorbereitung:

      • Nach Absprache mit der Lehrperson wird in Abhängigkeit davon, wie viele diese Projektaufgabe bearbeiten wollen, entscheiden, ob Variante 1 (Gruppenweise diskutieren alle lernenden) oder 2  (der gesamte Kurs diskutiert in einer großen Runde) durchgeführt wird. 
      • 1. Variante: Vor Beginn der Stunde müssen die Tische so umgestellt werden, dass jeweils 6 Personen + 1 Moderator als Gruppe Platz finden.
      • 2. Variante: Sollte nur eine große Gerichtsverhandlung für den gesamten Kurs stattfinden, so müsste ein U-gestellt werden. 
      • Die Rollenkarten liegen verdeckt oder idealerweise pro Gruppe jeweils in einem Umschlag bereit.
      Einführung:

      • Zu Beginn solltest du eine kurz historisch fundiert die Ereignisse zur wirtschaftlichen Lage Deutschlands 1947 und die Bedeutung von Kompensationsgeschäften darstellen, um deinen Mitschülerinnen und Mitschülern die Möglichkeit zu geben, sich in die Situation einzufinden.
      • In Abhängigkeit von der Variante erfolgt eine Gruppenbildung (mehrere Gruppen à 6 Rollen+ 1 Moderation)
        Manche Rollen können auch zu zweit gespielt werden, damit die Rollenverteilung aufgeht und jeder etwas sagen kann.

      Einlesezeit:

      • Jede Rollenkarte muss gelesen und verinnerlicht werden. 
      • Hinweis Alternative 1: Ggf. können zuvor Expertengruppen für Absprachen zur jeweiligen gleichen Rolle gebildet werden, um Unsicherheiten vorzubeugen und eventuell aufkommende Fragen zu klären. 
      Vorstellungsrunde:
      • Jede Rolle stellt ihre Perspektive und Argumente vor.
      • Der Moderator (Rollenkartenersteller/in)  leitet durch die Vorstellung und ordnet Redebeiträge ähnlich wie in einer Talkshow (z. B. Markus Lanz) ein.

      Gerichtsverhandlung:

      • Simulation einer Gerichtsverhandlung, in der die Rechtmäßigkeit der Kompensationsgeschäfte geprüft wird.
      • Die Teilnehmer diskutieren, über die Vor- und Nachteile von Kompensationsgeschäften und ob diese unterdrückt oder geduldet werden sollten.
      • Der Moderator (Rollenkartenersteller/in)  leitet auch hier durch die Diskussion, gibt das Wort an weniger zu wortkommende ab und ordnet Redebeiträge ein.
      • Die Moderation schließt die Verhandlung, indem die Ergebnisse zusammengefasst werden. 

      Reflexion:

      • Zum Schluss erfolgt eine Reflexion über die Ergebnisse der Verhandlung und die Auswirkungen auf die Nachkriegswirtschaft.
      • Dabei ist ein Vergleich des realen Urteils mit dem Urteil des Planspiels unerlässlich, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der simulierten und der tatsächlichen Entscheidung zu analysieren. Dieser Vergleich ermöglicht es den Teilnehmern, ein tieferes Verständnis für die Komplexität der Entscheidungsprozesse zu entwickeln und die Faktoren zu identifizieren, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Darüber hinaus fördert die Reflexion das kritische Denken, indem sie die Teilnehmer dazu anregt, die Gründe für ihre Entscheidungen zu hinterfragen und die Konsequenzen ihrer Handlungen im Planspiel zu bewerten. Dies trägt dazu bei, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, die auf reale Situationen übertragen werden können.

      Bearbeite zunächst die folgenden Aufgaben, um mittels der Ergebnisse ein Planspiel zu entwerfen und durchzuführen. Deine Gruppenmitglieder und du agieren als Experten und müssen die Moderationsrolle zur Vorbereitung des Planspiels übernehmen, d. h. die anderen Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen spielen die entsprechenden Rollen und müssen ihre Standpunkte vertreten mit den Rollenkarten, die ihr vorbereitet. Diese Rollenkarten sollen fachlich fundiert sein, d. h. es sollten direkte und indirekte Zitate enthalten sein, um einen möglichst realistischen und sachlich korrekten Strafprozess nachzustellen. Der Kurs bekommt für die eigentliche Gerichtsverhandlung 30 Minuten, 30 Minuten sind der Einlesezeit/Argumentationsvorbereitung/Rückfragen an euch zur Rolle vorbehalten und in den letzten 30 Minuten soll der im Planspiel umgesetzte Prozess mit dem realen Prozess verglichen werden, Beweggründe kritisch hinterfragt werden und mit aktuellen Ereignissen in Bezug gesetzt werden. Ihr übernehmt die ganze Zeit die Moderatorenrolle. Lasst Zwischenergebnisse der einzelnen Rollen sichern z. B. im unten stehenden Board. 

      Die folgenden Aufgaben beziehen sich auf diese Primärquelle: einen Zeitungsausschnitt der Hessischen Nachrichten vom Dienstag, dem 9. September 1947.

      1. Kontextualisierung: Untersuche den historischen und gesellschaftlichen Kontext des Spinnfaserprozesses. 
        - Welche wirtschaftlichen und politischen Bedingungen herrschten in der Nachkriegszeit in Deutschland. 
        - Wie könnten diese Verlauf und die öffentliche Wahrnehmung des Prozess beeinflusst haben?

      2. Inhaltliche Analyse: 
        - Identifiziere die Hauptakteure und Ereignisse, die im Zeitungsausschnitt beschrieben werden.
        - Benenne die im Prozess hervorgehobenen Argumente und Beweise. 
        - Beschreibe die Art, in der diese präsentiert werden, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen oder zu formen.

      3. Quellenkritik: 
        - Analysiere die Sprache und den Ton des Zeitungsausschnitts.
        - Reflektiere die Rolle der Zeitung bei der Präsentation des Falls bezüglich der Vertretbarkeit/Gerechtigkeit gegenüber der Unternehmensleitung. Welche Perspektive nimmt der Autor ein, und welche Absichten könnten hinter der Berichterstattung stehen?
        - Achte auf mögliche Voreingenommenheiten oder propagandistische Elemente.

      4. Diskussion:
        Diskutiere die Maßnahmen des Betriebes zum Tauschhandel und die Notwendigkeit dieses Exempels, um dem Zustand der archaischen Naturalwirtschaft entgegen zu wirken, seitens der Besatzungsmacht angesichts der relativen Wertlosigkeit des Geldes* und Lebensmittelkarten. 


      *Gehälter im öffentlichen Dienst und Steuern wurden in Reichsmark entrichtet. Ab August 1946 führten die Alliierten Besatzungsgeld ein, das für den Austausch zwischen alliierten und deutschen Institutionen genutzt wurde und nicht in Reichsmark konvertiert werden konnte. Dennoch galten Zigaretten als das wichtigste Tauschmittel, da auf dem Schwarzen Markt damit nahezu alles erworben werden konnte.